Die meistverkauften E‑Books bei Amazon zeigen es Woche für Woche und auch die Kindle-Bestseller des Jahres 2012 zeichnen ein eindeutiges Bild: Billig ist beliebt und verkauft sich gut. Doch die meisten digitalen Bücher sind immer noch auf dem preislichen Niveau der Printausgabe. Damit E‑Books in Deutschland zum Massenphänomen werden, muss sich das ändern, findet zumindest Kindle-Tipps-Redakteur Till Steinbrenner.
Billig ist beliebt
Wo vor zwei Jahren noch gähnende Leere herrschte, sind die virtuellen Verkaufsregale der Online-Händler nun prall mit virtuellen Büchern gefüllt. Ein Achtungserfolg. Aber wie soll der Kunde, der soeben hundert Euro oder gar mehr für einen E‑Book-Reader ausgegeben hat, verstehen, warum das E‑Book nur minimal günstiger ist als das Taschen- oder Hardcover-Buch? Spätestens hier ist Enttäuschung programmiert. Und obwohl der E‑Book-Markt auch in Deutschland rasant wächst, macht er insgesamt immer noch nur einen Bruchteil der Umsätze der Verlage aus, insgesamt liegt er bei circa 2 Prozent.
Bis jetzt war es die Taktik der Verlage, dem E‑Book einen ähnlichen Preis wie dem physischen Buch zu verpassen. Meist lautet die Formel: Gedrucktes Buch minus einen Euro gleich E‑Book-Preis. Der Blick auf die Bestsellerlisten von E‑Books zeigt aber: Dieses Vorgehen ist nur teilweise von Erfolg gekrönt.
Die Nutznießer der hohen E‑Book-Preise sind Indie-Autoren. Damit sind Autoren gemeint, die ihre Bücher per Selbstverlag veröffentlichen. Dank E‑Book-Format ist das eine Sache von wenigen Klicks. Die Preise dieser E‑Books sind im Vergleich zu verlagsgestützten Publikationen gering, oft liegen sie bei weniger als drei Euro.
E‑Books im Selbstverlag sind eine Erfolgsgeschichte. 2012 wurden fünf der Top 10 und 52 der Top 100 der meistverkauften Kindle-Bücher auf diese Weise veröffentlicht. Das liegt nicht allein an der neugeschaffenen Möglichkeit, auch ohne Verlag zu veröffentlichen. Der Preis spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Natürlich ist der Vergleich zwischen Indie-Autoren und einem Verlag so oder so nicht fair. Aber gerade deswegen lohnt es sich, die anfallenden Kosten für die Produktion eines Buchs einmal genauer zu untersuchen.
Die Kosten bei Print und E‑Books
Muss ein E‑Book überhaupt billiger sein? Ist die Ersparnis so groß? Nehmen wir die Herstellungskosten eines Buchs genauer unter die Lupe. Hier wird es bereits knifflig, da Verlage in dieser Hinsicht sehr verschwiegen agieren. Bleiben wir deswegen zunächst theoretisch und führen die groben Kostenstellen auf, die sowohl für ein E‑Book, als auch für ein Printbuch eines Verlages anfallen. Wen muss ein Verlag in jedem Fall bezahlen? Den Autor, den Lektor, eine eventuelle Redaktion dahinter und einen Grafiker/Layouter. Ferner fallen Ausgaben für Marketing an. Außerdem kommen noch weitere kleine Kosten, wie etwa Bildrechte, dazu. Nun wird es interessant: Welche Kosten treffen nur das gedruckte Buch? Da wären einerseits der Druck, die Lagerung und der Transport. Zwar gibt es auch bei E‑Books „Auslieferungskosten“ (meist pro Megabyte), doch diese sind verschwindend gering und nur für Bücher mit viel Bildmaterial relevant.
Versuchen wir, die Theorie mit Zahlen zu füllen. Der klassische Buchhandel verlangt als Provision pro Buch zwischen 35 und 50 Prozent. Nehmen wir als Beispiel für die E‑Books Amazon, so liegt der abgezweigte Anteil bei 30 Prozent*. Die Druckkosten sind schwer zu bestimmen, sind sie doch je nach Qualität sehr unterschiedlich. Gehen wir von einem Druckpreis zwischen 10 und 20 Prozent aus. Hinzu kommen noch Lager- und Transportkosten zwischen 5 und 10 Prozent. Addieren wir die Durchschnittsprozentwerte, kommen wir auf eine Ersparnis von 35% Prozent für das E‑Book. Dises Ergebnis ist kaum mehr als eine Schätzung. Trotzdem lässt sich sagen: E‑Books sind in der Herstellung billiger als Printbücher und zwar deutlich.
Wir haben zwei Faktoren noch nicht dazu gerechnet. In die Rechnung muss mit aufgenommen werden, dass es bei gedruckten Büchern eine Auflagenzahl gibt. Der Druck eines Printbuchs ist also immer mit dem Risiko verbunden, auf den Büchern sitzenzubleiben. Auch das wird bei einer Printausgabe in die Preisgestaltung übernommen. Bei einem E‑Book besteht diese Gefahr nicht. Auch haben wir bei E‑Books Fixkosten. Bei jedem gedruckten Buch fallen Kosten an, die Herstellung eines E‑Books ist eine einmalige Investition. Pro verkauftem E‑Book steigt der Gewinn also stärker als bei gedruckten Büchern.
Böse Buchpreisbindung?
Vielfach gescholten und als Erklärung in diesem Zusammenhang missbraucht: die deutsche Buchpreisbindung. Zu Unrecht, da man hier zwischen E‑Book und physischem Buch unterscheidet. Die deutsche Buchpreisbindung besagt lediglich, dass ein E‑Book in allen Shops gleichviel kosten muss. Eine nachträgliche Änderung des Preises ist auch möglich. Die deutsche Buchpreisbindung ist erst im Dezember bei einer Einigung im Kartellrechtsverfahren der EU-Kommissionbestätigt bestätigt worden. Sie ist kein Hinderungsgrund für die Verlage, ihre E‑Books zu günstigen Preisen anzubieten.
Die Macht liegt also einzig und allein bei den Verlagen. Doch die sträuben sich und bremsen auf diese Weise den E‑Book-Markt aus. Worin liegen die Gründe für diese Zögerlichkeit? Ob es die Angst vor illegalen Downloads, eine seltsame Art der Digitalphobie oder das Machwerk der Printlobby ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Auch ist es unverständlich, warum in Deutschland auf E‑Books 19 Prozent Mehrwertsteuer anfallen. Bei gedruckten Büchern sind es nur sieben (Amazon rechnet deswegen die E‑Book-Verkäufe über Luxemburg ab).
Fakt ist trotzdem, fair wären günstigere E‑Book-Preise. Aber wie viel Preisnachlass pro E‑Book ist gerecht? Wenn wir unserer obigen Rechnung Glauben schenken, sollten Rabatte für E‑Books 35% hergeben. Mindestens.
*Wenn man das Buch bei KPD-Select anmeldet. Wie hoch der Prozentsatz für Verlage ist bzw. ob dieser jedes Mal neu ausgehandelt wird, ist uns nicht bekannt.
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