
Mit dem Kindle ins Internet (Bildquelle: aboutpixel.de / Leuchtschrift Internet © Rainer Sturm)
Eignet sich der Kindle 4 zum Surfen? Was kann er, was kann er nicht? Über Grenzen, Möglichkeiten und Frustmomente erfahren Sie hier alles anhand eines praxisnahen Tests.
Ohne Internet geht’s nicht mehr oder zumindest schwer. Man verzeihe mir diesen kleinen Reim, aber Sie – verehrte/r Leser/in – werden das wohl kaum anders sehen. Schließlich haben Sie den Weg hierher gefunden und erwarten nun Informationen zu erhalten. Genau mit diesem Ziel zog ich auch aus, in die schier unendlichen Weiten des Webs. Aber der Reihe nach.
Wo normalerweise der PC zum Einsatz kommt, ist dieser gerade jetzt zu weit weg. Aufstehen wäre eine Möglichkeit, aber die Couch ist zu weich und bequem. Trotzdem will ich ins Internet. Das Handy? Der Gedanke daran löst keine Jubelschreie aus. Zwar theoretisch machbar, aber das Lesen an einem gefühlt würfelgroßem Bildschirm ist eben nichts für längere Texte. Mein Blick fällt auf den Kindle 4, der sich so ganz unschuldig auf dem Platz breitgemacht hat, wo früher ein Buch lag. Der Kindle hat Internet! Der Kindle hat eine Art Browser!! Der Kindle ist in Griffweite!!! Diese drei Argumente überzeugen mich. Ich nehme ihn in die Hand, drücke den Power-Knopf und die Reise beginnt.
Der erste Eindruck
Menü auf, runterscrollen (pardon, ich meinte viele kleine Klicks oder einen langen Klick) und die Schaltfläche „Experimentell“ auswählen. Eigentlich wollte ich surfen und kein Experiment durchführen, aber ich habe wohl keine Wahl. Nach der Bestätigung wird mir mitgeteilt: „Wir arbeiten an einem experimentellen Webbrowser“. Aha. Das suggeriert ja eigentlich, dass die Möglichkeit eines Browsers noch in der Zukunft liegt. Und selbst dieser soll erst experimentell sein! Schwamm drüber.
Ich drücke auf »Browser starten« und vor mir öffnet sich das Programm aus der Zukunft. Beziehungsweise eine Tabelle, die Lesezeichen beinhaltet, die vorgegeben sind, aber sich auch anpassen lassen. Drei Stationen stehen heute auf meiner Surf-Liste. Die neusten News auf Spiegel.de nachlesen, herausfinden, wann ein Film heute Abend im Kino läuft, und auf Facebook ein paar soziale Kontakte pflegen. Nun bin ich bereit für’s Kindle-Surfen.
Los geht’s
Die Spiegel-Seite befindet sich Gott sei Dank unter den Lesezeichen. Mit wenigen Klicks bin ich dort und die Seite öffnet sich. Erstaunlich schnell, das muss man dem Kindle lassen. Ich bin nun auf der Spiegel-Startseite, die sich mir im Großformat darbietet. Das Schwarz-Weiß stört mich weniger, ist man doch sonst überall eher einer Reizüberflutung ausgesetzt. Die Bilder sehen auch ohne Farben gut erkennbar aus. Außer den Überschriften ist allerdings alles zu klein.
Zum Glück gibt es eine Lupe, mit der sich einzelne Bildausschnitte vergrößern lassen. Die Bedienung geht erstaunlich einfach von der Hand, zumindest für Kindle-Verhältnisse. Ein Mauszeiger ploppt auf. Mit diesem kann ich von Link zu Link springen und ihn bei Gefallen anklicken. Auch das geht relativ einfach und im nächsten Moment bin ich bereits bei dem gewünschten Artikel. Die Lupe feiert ein Revival, da sich der Ausschnitt wieder auf die Anfangsgröße zurückverformt hat. Außerdem fällt mir langsam die viele Werbung auf, die den gewollten Text auf die halbe Größe zusammenstaucht.
Schon leicht genervt (auch da die Schrift wieder zu klein ist) drücke ich die Menu-Taste und finde einen vielversprechenden Menupunkt namens „Artikel-Modus“. Ausgewählt! Und siehe da, es zeigt Wirkung: Der Text wird zentriert, vergrößert und die Werbung ausgeblendet. So habe ich mir das schon eher vorgestellt. Das anschließende Lesen ist nahezu in dem Komfort eines Buches möglich. Nur das »Scrollen« nach unten stört, zumal der Bildschirm immer ein paar Millisekunden zum Nachladen braucht. Trotzdem bin ich entzückt. Jetzt habe ich Lunte gerochen und werde wagemutig!
Google des Grauens
Zurück zu den Lesezeichen, Google auswählen und ab geht’s. Der Plan: Über Google die Anfangszeiten eines Films im Kino herausfinden. Nun gilt es, die Suchbegriffe einzugeben. Die gefürchtete Kindle-Tastatur kommt zum Einsatz. Buchstabe für Buchstabe kämpfe ich mich voran. In Rekordzeit (um genau zu sein eine Minute und 27 Sekunden, handgestoppt) ist das erledigt und Google darf seines Amtes walten.
Der erste Treffer klingt vielversprechend, weswegen ich mich traue ihn auszuwählen und anzuklicken. Ich sehe mich im Zimmer nach einer Lupe um, da auf dem folgenden Bildschirm absolut nichts zu erkennen ist. Zum Glück fällt mir nun ein, das auch der Kindle sowas hat. Nachdem ich die Schriftgröße im Menu um 300 Prozent vergrößert habe, werde ich sehend. Und siehe da: Die gewünschten Infos werden mir auf dem Silbertablett präsentiert. Lag das nun an meinen Google-Fähigkeiten oder an den Eigenschaften des Kindles? Egal. Hochzufrieden lehne ich mich zurück und bereite mich mental auf das letzte Gefecht vor.
FaceKindle
Facebook befindet sich zum Glück unter den Lesezeichen. Sogar eine Version für mobile Geräte, was auf einen guten Ausgang des Experimentes hoffen lässt.
Ein Login-Screen erscheint. Das war zu erwarten. Diesmal in Weltrekordzeit (57 Sekunden, geschätzt) schaffe ich es, mich anzumelden. Der Bildschirm flackert mehrmals heftig, als ich den Anmelde-Button drücke. Das optische Erdbeben dauert zwar nur wenige Sekunden, ist aber von einer enormen Stärke und der Evakuierungs-Gedanke war durchaus schon da.
Endlich wieder auf sicheren Beinen öffnet der Kindle mir nun meinen Facebook-Account. Die abgespeckte, mobile-Version von Facebook macht zunächst einen guten Eindruck. Sie wirkt nicht nur aufgeräumt, auch die Schrift hat eine gute Größe. Einer Freundin will ich nun eine kurze Nachricht zukommen lassen. Zum Glück befindet sich ihr Profil direkt auf meiner Pinnwand, so dass umständliches Suchen entfällt.
Den Account ausgewählt, klicke ich die oberste Funktion „Nachricht schreiben“ an und befinde mich in einem bekannten Fenster, in dem auch auf einem normalen Computer Nachrichten geschrieben werden. Ich rufe die Tastatur auf und beginne – durchaus motiviert – zu schreiben. Da Schreiben auf dem Kindle trotzdem kein Hochgenuss ist, beschränke ich mich allerdings auf wenige Zeilen, die ich in sagenhaften fünf Minuten schreibe.
Ich schließe die Tastatur und sehe … nichts. Einen kühlen Kopf bewahrend rufe ich die Tastatur auf und sehe … nichts. Selbiges als ich sie wieder schließe. Eine Mischung aus Wut und Panik kommt langsam auf. Ich fahre mit dem Mauszeiger über das Textfenster und wähle es aus, rufe nochmals die Tastatur auf und schreibe ein Wort. Nun ist es da. Ich hätte vorher wohl das Feld extra auswählen müssen, obwohl auf dem gesamten Bildschirm kein anderes existiert. Nun bin ich frustriert und beleidigt. Wer verliert denn schon gerne Lebenszeit auf Grund vermeidbarer Fehler? Unfairer-(oder fairer?)weise schreibe ich dem Kindle 70 Prozent der Schuld zu, meiner Unwissenheit nur 30 Prozent. Da meine Motivation für heute aufgebraucht ist, schalte ich den Kindle aus und beschließe schweren Herzens aufzustehen und meinen PC aufzusuchen.
Fazit
Licht und Schatten mischen sich in das Gesamtbild. Wer ein wenig Zeit mitbringt, kann durchaus zufriedenstellende Surfergebnisse erzielen. Längere Texte lassen sich dank dem Artikel-Modus sehr gut lesen. Wenn man so einen erst einmal gefunden hat, hat hier sogar der Kindle gegenüber einem Computer die Nase vorne. Die Bedienung kann insgesamt trotzdem nicht mit der eines Notebooks oder PCs konkurrieren.
Große Hoffnungen ruhen nun auf den Schultern des neuen Kindles, dem Kindle Touch, der vorerst leider nicht in Deutschland erhältlich sein wird. Trotzdem kann man festhalten, dass auch der Kindle-4-eReader die Grundbedürfe eines Menschen im Internet zu befriedigen weiß. Wer mit Einschränkungen zurechtkommt, kann also durchaus den einen oder anderen Ausflug ins World Wide Web wagen.
ErnaSchabulski sagt:
Dieser Bericht spricht mir aus der Seele. So kurzweilig wie die Tatsachen hier geschildert werden, fand ich die Handhabung beim selbst Ausprobieren leider nicht. Schade, dass ich den Artikel »zu spät« entdeckt habe. Dem Verfasser ein Kompliment.