Leo Tolstoi gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellern des 19. Jahrhunderts und gilt als einer der Giganten der russischen Literatur neben Namen wie Fjodor Dostojewski, Nikolai Leskow und Iwan Turgenew. Seine Erfolgswerke, darunter Anna Karenina, sind unbestrittene Klassiker des realistischen Romans. Wie kaum ein anderer Schriftsteller schaffte er es, die Gesellschaft, in die er hineingeboren wurde, mit einer Genauigkeit und literarischem Talent darzustellen. Bis heute bewundern Literaten aus aller Welt seine Werke. Heute widmen wir unsere Aufmerksamkeit dem Stück Die Kosaken, das im Gegensatz zu den kolossalen Romanen von Tolstoi, mit seiner Kürze die Leser überrascht.
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Inhalt
Die Geschichte startet in Moskau. Hier wird das Leben des adeligen jungen Mannes Dmitry Andreich Olenin dargestellt, das zwischen Hof, Liebesleben und Spiel in ständiger Belanglosigkeit dahinschwebt. In frühen Morgenstunden verlässt Olenin die Stadt in Richtung Kaukasus, da er dort zu einem Posten als Junker berufen wurde.
Dann macht Tolstoi die Leser mit Lukashka bekannt, der als Außenposten am Fluss Terek in Tschetschenien auf Seiten der Russen als Kosake kämpft und den ständigen Kontakt zu seinem Dorf aufrechterhält. Nachdem Olenin seinen Posten bezogen hat, entsteht fortwährend eine Beziehung zwischen den Bewohnern des Kosakendorfes und dem jungen Mann aus Moskau. Als Adeliger ist es ihm möglich, den Schwierigkeiten des Soldatenlebens zu entgehen und sich dem einfachen Alltag im Dorf anzupassen. Zudem verliebt er sich in Marjanka, die Lukashka versprochen ist, aber nichtsdestotrotz das Idealbild einer Frau laut Olenin entspricht. So wandert die Beziehung zwischen Lukashka und Olenin im Laufe der Geschichte von Freundschaft zu wachsender Rivalität. Gekrönt wird die Dreiecksbeziehung mit dem Heiratsantrag Olenins. Er wird aber von der jungen Frau wütend abgelehnt, nachdem Lukashka während eine Angriffs tödlich verwundet wird. Schließlich gibt der Protagonist Marjanka auf und verlässt das Dorf.
Das macht den Klassiker lesenswert
Der kurze Roman des russischen Schriftstellers trumpft wie immer mit wunderbarer Schreibkunst. Obwohl die Dreiecksbeziehung zwischen Olenin, Marjanka und Lukashka hinsichtlich der Struktur zu den klassischen Ideen der Literaturwelt gehört, geben die schriftstellerischen Fähigkeiten Tolstois der Geschichte ihre Würze. Die Beziehung und die Spannung zwischen den Charakteren werden meisterhaft beschrieben.
Weiterhin wir der Diskrepanz zwischen dem Adelsleben in Moskau und des Alltags im Dorf der Kosaken aus der Sicht von Olenin gekonnt vor die Augen des Lesers geführt. Wie auch in anderen Werken Tolstois findet man hier biographische Elemente, die auf die eigenen Lebenserfahrungen des Schriftstellers hindeuten. So stammte auch Tolstoi aus einer Adelsfamilie und hatte mit den Gewohnheiten, die ein adeliges Alltagsleben mit sich brachte, zu kämpfen. Als ein leidenschaftlicher Billardspieler war er, wie Olenin, oftmals in finanziellen Schwierigkeiten und musste sogar das Manuskript von Die Kosaken abtreten, um seine Schulden zu begleichen. Hinzukommt, dass Tolstoi in seinen jungen Jahren Offizier war und hier eine erfolgreiche Karriere hinter sich hatte. Dieses Dasein, welches an sich die Kulisse des Romans ist, war ihm aus diesem Grund durchaus nicht unbekannt.
Diese Erfahrungen waren es jedoch auch, die Tolstoi zu einem wahren Meister seiner Kunst machten. So vermittelt er dem Leser erfolgreich, dass das Dorfleben sowie die Liebesbeziehung zu Marjanka von Olenin idealisiert wird, während die Dorfbewohner an sich eigene Fehler und Schwächen zeigen. Diese Details und vieles mehr machen Die Kosaken zu einem weiteren Meisterwerk von Tolstoi. Wer sich noch nicht an die kolossalen Hauptwerke des Schriftstellers getraut hat, kann mit diesem kurzen Stück den Einstieg in seine literarische Welt wagen.